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6.10 - 9.11.2009 Sven Reile - "Human Troubles"



Aus der Laudatio von Robert Sorg

Zwischen Abstraktion und Figürlichkeit, zwischen Symbol und Realismus kreisen die Bildwelten des Sven Reile. Die Ausstellung im „Salon der Künste“ bietet einen Blick in das Schaffen des Künstlers der letzten vier Jahre. Mit der Bildgruppe „Head“, hier vertreten durch das Bild „Head 17“, begann die künstlerische Sprachfindung. Es eröffnete sich die „Spielwiese malerischer Ausdrucksmittel“, so der Künstler. Im Bild „Head 17“ aus dem Jahr 2005 deuten sich Gestaltungsprinzipien an, die im aktuellen Bildthema „Phobos“ gänzlich zur Anwendung kommen. Objekte und Subjekt überlagern sich, geometrische Formen organisieren sich, die Topographien des Urbanen, als auch später des Planetaren werden zur psychologischen Landschaft. Bei dieser Überführung und Überlagerung der Bedeutungen liefert sich der Künstler nicht allein den symbolischen und mythologischen Inhalten aus. Phobos verkörpert die Furcht, ist Vorbote des kriegsbringenden Mars. Doch die „Phobos“-Bilder entziehen sich einer bloßen symbolistischen oder allegorischen Lesart zum einen durch realistische Einzeldarstellung des Motivs, zum anderen durch karikaturhafte Collagen. Mit der realistischen Darstellung der Mondlandschaften begibt sich der Künstler in die Peripherien menschlicher Wahrnehmung, die sich optischer Hilfsmittel bedienen muss um ein Bild kosmischer Phänomene zu gewinnen. Der Künstler sucht irdische Mondlandschaften auf, reist in Wüsten, zu Orten, die zur Erde gehören, aber nicht zu unserem Lebensraum und daher schwerer greifbar sind, ähnlich den Wolken. Da sie sich dem menschlichen Lebensbedingungen entziehen, erscheinen sie uns unbekannt, abstrakt. Und doch sind sie ein Teil unserer Welt – das Fremde im Eigenen.

Die Hinterfragung der Normalität, bildsprachlich im realistischen Stil ausgedrückt, findet sich in der Themengruppe „Karibik“ aus den Jahren 2005 bis 2007. Reiles säkularisierte Pieta scheint die totale Umkehrung der klassischen Ikonographie des Bildthemas. Die junge Mutter Maria, sonst weinend um den Tod ihres Sohnens, lächelt lolitahaft-dämonisch. Zwischen ihren Schenkeln ein Wesen - schmerzverzerrt, aufschreiend. Die normativen und normierenden Formate der Mediengesellschaft stoßen in „Karibik“ an ihre Grenzen. Das Gute verkehrt sich zum Dämonisch-Bösen, die vermeintlichen Boten der Freiheit offenbaren ihre menschliche Abgründigkeit. Die orange Kleidung des Liegenden/Fallenden ist der Signifikant des karibischen (Alp-)Traums der Menschenrechte – Guantanamo.

Das spannungsvolle Wechselspiel zwischen Realismus und Abstraktion, das zugleich als dilemmatisches Gefangensein zwischen dem Begreifbaren und Unbegreiflichen verstanden werden kann und künstlerisches Grundprinzip Reiles zu sein scheint, zeigt sich besonders deutlich in „Lösung“ (2007) und „Jedentag“ (2008), zwei Künstlerbildnisse, die zwischen realistischer Form und abstrakter Auflösung stehen. In den Bildern Reiles zeigt sich das Scheitern des Versuches einer Realität habhaft zu werden, nicht nur als menschliches Dilemma des Unsteten/Begrenzten, sondern als Bildprinzip, das die massenmedialen Wahrnehmungsvorgaben aufzusprengen versucht und somit grundlegend freiheitlich ist.

Sven Reile (rechts)

1967 in Braunschweig geboren
1995 – 2001 Studium der Psychologie und Kunstgeschichte in Jena, lebt und arbeitet seit 2001 als freischaffender Künstler in Berlin

svenreile.com


Video zur Ausstellungseröffnung
(von jena-saaleland.de)